Jizchok Leib Perez lebte in einer Umgebung, die im Großen und Ganzen von drei geistigen Strömungen geprägt war. Auf einer Seite standen die Anhänger des Chassidismus, einer gefühlsbetonten, enthusiastischen Form der religiösen Praxis. Eine besondere Rolle im Chassidismus spielten die Zaddikim (Gerechten), die umgangssprachlich "Rebbe" genannt wurden. Die Rolle eines Rebbe bestand darin, seinen Anhängern, den Chassidim (Frommen), Rat in allen Lebensfragen und besondere Einsichten bezüglich der Tora zu geben. Manchmal wurden von ihm auch Wunder erwartet. Der Rebbe war für die Chassidim sozusagen die Verbindung zwischen Himmel und Erde.
Daneben gab es noch diejenigen, die der traditionellen jüdischen Glaubensweise folgten. Viele von ihnen waren Gegner des Chassidismus (Misnagdim), vor allem, wenn die chassidischen Praktiken den überlieferten Bräuchen und den traditionellen Formen der Erfüllung der Gebote zuwiderliefen.
Als dritte Strömung hatte vor allem in den Städten die Modernisierung Einzug gehalten. Geistige Vorreiterin dafür war die jüdische Aufklärung (Haskala), zu deren Vertretern auch Perez gezählt werden kann. Perez war jedoch kein erbitterter Gegner der tradtionellen oder chassidischen Lebensweisen. Die meisten seiner Erzählungen spielen im streng religiösen Milieu, dem er selbst entstammte. Er wurde deshalb als "freundlicher Misnaged" bezeichnet, also als jemand, der zwar die tief religiöse Weltsicht nicht teilte, aber den Gläubigen durchaus wohlwollend gegenüber stand.
Zur chassidischen Kultur gehörte es, sich Geschichten von den wundersamen Taten der Rebbes zu erzählen. Solche Geschichten wurden später einem größeren Publikum vor allem durch Martin Bubers "Erzählungen der Chassidim" bekannt. Perez verfasste ebenfalls chassidische Geschichten. Aber er schrieb sie nicht mit der Absicht, die Wundertätigkeit eines Rebbe hervorzuheben, sondern mit ganz weltlichen Aussagen.
Zu den bekanntesten seiner chassidischen Geschichten gehört die Erzählung "Wenn nicht noch höher". Sie handelt von dem Nemirower Rebbe, der während der Sliches-Zeit, der Zeit vor dem Neujahrsfest, jeden Morgen zu verschwinden pflegt. Seine Anhänger erzählen sich, dass er zum Himmel hinauffährt, um dort für die Vergebung der Sünden seiner Chassidim zu bitten. Eines Tages kommt ein Litwak (ein Litauer), ein skeptischer Misnaged, in die Stadt. Sobald er vom täglichen Verschwinden des Rebbe hört, möchte er herausfinden, was wirklich vor sich geht. Er findet tatsächlich des Rätsels Lösung. Der Rebbe steigt nicht wirklich jeden Tag in den Himmel, sondern vielleicht sogar noch höher ...
Eine neue Übersetzung der Geschichte erschien im Kindle-Format bei Amazon. Um das Verständnis der Geschichte zu erleichtern, werden im Anhang des kleinen E-Books Begriffe und Ausdrücke erklärt.